Der jüdische Friedhof „Am Judenberg“
Da in einem Corveyer Schutzbrief aus dem Jahr 1683 der erste Nachweis über Juden in Fürstenau überliefert ist, und ein jüdischer Friedhof zu den ersten Einrichtungen zählte, die sich eine jüdische Gemeinde zu schaffen suchte, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Friedhof spätestens in den frühen neunziger Jahren des 17. Jahrhunderts angelegt wurde.
Keineswegs jede Gemeinde war in der Lage, einen eigenen Friedhof anzulegen und zu unterhalten. Deshalb erlangten die Friedhöfe wichtigerer jüdischer Niederlassungen oft überörtliche Bedeutung, wie es im Falle des Fürstenauer Friedhofs festzustellen ist.
Es kann als gesichert gelten, dass die jüdischen Bürger Albaxens, Bödexens und Stahles auf den Fürstenauer Begräbnisplatz angewiesen waren, wie der Vergleich v. 24. Mai 1773 belegt. Am 24. Mai 1773 wurde in einem Vergleich zwischen der Fürstenauer Judenschaft und der Gemeinde die Erweiterung des bestehenden Begräbnisplatzes getroffen:[1]
„Da die ganze Judenschaft nemlich Die von Fürstenau, Stahl und allbaxen sich heute vnter gesetzten Datum mit der gemeinheit Fürstenau sich Verglichen, wegen sobenannten Kirch Hofes, als belegen Im grawen an dem Judenberg genand, aus der Vrsachen halben – Dieweil sie mit Ihren abgelebten doten Cörpers Von Ihren an gewißenen platze sind ab gewichen, und die selbige der gemeinheit zu nahe als auff graßhude Begraben haben, ümb dießen streit nun Eigentlich zu steüren, dass nachgehens Keine streitigkeit sowohl Vnter dem Juden – als wieauch unter der gemeinheit wieder Endstünde.
So hat die gemeinheit denen Juden, Vnter ihren alten platze … Einen neüen placken wieder Über wießen, dass nämlich das mit den Neüen sich Beläuft In der Längede 400 84 Fuß, und in die Breite hat 44 Fuß – vor welche Begräbnüß nun die itzigen Juden 12 rt. Setze und schreibe Zwölf reichstahler, der gemeinheit ersetzett haben mit dem beding aber ist der Vergleich so beschlossen, dass nemlich die Juden Ihre Begräbnüß auff selbigen Platze prätendieren, und sie darauf begraben können wän sie wollen, aber die gerechtigkeit, wie auch hude und weyde, die gehöret Eigentlich der gemeinde, mit den beding aber – dass die Juden in Ewigkeit weiter nichts daran zu pretendiren haben, als Ihre Doten dar auff zu begraben, welches nun dießen zur Versicherung der wahrheit – Im nahmen der ganzen gemeinheit ist auff gesetzet, Vnd die jetzigen Vorstehers, als Voigt, schütze meyster, baurmeister, wie auch schützenschäffers und Rottmeyster – haben Eigen händig Ihren Nahmen dar Vnter geschrieben.“[2]
Jüdische Friedhöfe sind „auf Ewigkeit“ angelegt und dürfen daher nicht neu belegt werden. Deshalb benennt die jüdische Kultur die Friedhöfe auch häufig als
„bet ha-chajjim“ – Haus/Ort des Lebens
„bet almin“ – Haus/Ort der Ewigkeit.
Auch heute noch ist selbst ein einzelnes jüdisches Grab unantastbar, ebenso wie der Friedhof selbst. Deshalb kann man auch nicht von einem ehemaligen jüdischen Friedhof sprechen, auch wenn er verlassen oder abgeräumt ist. Selbst ein seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten geschlossener Friedhof, wie auch einer ohne seine Grabsteine, verliert niemals seine Funktion. Er erfüllt wie eh und je seine Aufgabe, die zugleich letzte und doch nur vorläufige Behausung des Menschen zu sein.
Jeder Friedhof ist ein Ort jüdischen Lebens und seiner Lebenserwartung und damit von einem ungleich höheren religiösen Wert als etwa eine ehemalige Synagoge.
Der Friedhof Am Judenberg wurde auch von den in Albaxen, Bödexen und Stahle lebenden Juden mitbenutzt, die keinen eigenen Begräbnisplatz hatten. Der Friedhof wurde am 08. Februar 1995 in die Denkmalliste der Stadt Höxter eingetragen.
Auf dem ca. 2000 qm großen Areal „Am Judenberg“ stehen heute noch 30 erhaltene Grabsteine, der älteste aus dem Jahre 1826. Als letzter wurde Moses Bachmann bestattet, der die Deportation nicht mehr erleben musste und am 10. Februar 1940 verstarb.
Gedenksteine, die an die Shoah, der die gesamte jüdische Bevölkerung Fürstenaus bis auf zwei Überlebende zum Opfer fiel, erinnern sollen, sind vorhanden für: Rosa, Hermann, Grethe, Ernst und Berl Dillenberg sowie für Regine und Markus Judenberg, Max Pins und Karoline Böhm, die in den Vernichtungslagern des Ostens ermordet wurden.